Modell-Sein für ein anderes Jungen-Sein und Mann-Werden

So ein Buchprojekt ist gar nicht so ohne. Man ist auf vielen „Baustellen“ unterwegs und manche gehen schneller und andere nicht so schnell. Ein Interview, was schon etwas länger zurück liegt, habe ich mit Erkan Altun, einem Bremer Psychologen vom hiesigen Jungenbüro geführt. Dieses Büro besteht seit einigen Jahren und kümmert sich um Jungen, denen Gewalt widerfahren ist. Meine Idee eines Besuches bei Herrn Altun war es, einmal zu versuchen in die Vergangenheit „unserer“ Männer zu schauen. Was könnte damals passiert sein? Im Vorfeld von einem Interview weiß man nie, ob die Idee aufgeht. Herr Altun hatte mir einige Fallbeispiele seiner Arbeit im Vorfeld zukommen lassen und so konnten wir gleich ins Gespräch einsteigen. Er erzählte mir, dass in der Arbeit mit Jungen es die Hauptaufgabe sei, ein anderes Modell des Mann-Seins einmal vorzustellen. Herr Altun begann mit einem der meist geäußerten Sätze am Anfang einer Beratung: „Es war gar nicht so schlimm“, was sie verbal in Form von Mobbing oder körperlicher Gewalt erlebt hätten. Und da diese Jungen nicht selten aus Haushalten bzw. sozialen Umfeldern kommen, wo das Erlebte runtergespielt würde, wäre es schon ein entscheidendes Zeichen der (vor allem männlichen) Berater im Jungenbüro zu fragen und sagen: „War es das nicht? Du darfst verletzt sein. Du hast ein Anrecht darauf.“ Hierbei zeigt sich der entscheidende Faktor in der Arbeit mit Jungen (und ich würde auch sagen mit Männern, weil die nicht unbedingt anders sind) – als Berater ein Modell für ein anderes Jungen-Sein und Mann-Werden, auch mit zeigbaren Schwächen, zu sein. Herr Altun sagt dabei so einen schönen Satz: „Es geht bei uns nicht um Erziehung sondern um Beziehung. Nur darüber kann sich etwas ändern.“ Genau das sehe ich auch in der Männerarbeit beim Kontext Gesundheit. Wenn die Berater des Jungenbüros auf diese Jungen, denen Gewalt widerfahren ist (Opfer ist mittlerweile ein gängiges Schimpfwort), anders schauen – so können diese jungen Menschen auch sich selbst einmal anders betrachten. Und dies kann, nicht nur nach der Meinung von Herr Altun, sonder auch von vielen anderen Jungen- und Männertherapeuten besser geschehen durch eine, ich nenne sie mal „Männer-Männer-Ebene“. Wir dürfen sie da nicht im Stich lassen. Wenn man sich den Sozialsektor vom Kindergarten bis hin zum Arztberuf ansieht, ist dieser stark weiblich geprägt. Die dabei bestimmt erbrachte Sensibilität der Frauen ist in der Arbeit mit Jungen und Männern nicht alles. Das auch mal Schwachsein-Können untereinander ohne gleich als „schwul“ tituliert zu werden, darf nicht unterschätzt werden. Und das ist bei den Jungen wie bei den Männern so. Durch die häufig fehlende Kommunikation über Schwächen und die Fokussierung auf Leistungsfähigkeit, kann solch ein gleichgeschlechtliches Beratungs-/Therapiesetting sehr effektiv sein. Einen anderen Mann mal schwach zu sehen, das mit auszuhalten und so an die eigene Schwäche mal heranzukommen, ist ein Weg zum Erreichen der innerlichen Balance. Oh was für ein Satz, sorry. Ich lass ihn aber mal so stehen. Abschließend festgestellt hat sich dieses Interview mit Herrn Altun für mich als sehr informativ und weiterbringend gezeigt. Auch wenn ich nicht den Blick in die Vergangenheit der Männer über die Jungenarbeit weiter vertiefen konnte. Wie immer hier der Linktipp: http://www.bremer-jungenbuero.de. Schauen Sie doch mal rein. Wir können etwas von der Jungenarbeit im Hinblick auf die Männergesundheit lernen.

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