Die EM und Männergesundheit

Boys in the summer park with a football ball

Heute beginnt die Fußball-EM und deswegen mal ein Beitrag zum Freitag. Da kann man hier schon mal die Frage stellen, ob die Europameisterschaft für die Gesundheit von uns Männern förderlich ist. Schauen wir uns zunächst die seelische Gesundheit an. Dazu brauche ich jetzt nicht auf den einschlägigen Seiten und Datenbanken im Internet recherchieren. Gehaltvolle Studien wird es zu dieser Frage nicht geben. Das hat den unschlagbaren Vorteil, dass ich als Psychotherapeut umso mehr verwegene und zugleich profunde Thesen zum Thema aufstellen kann.

Bemühen wir zunächst die Depressionsforschung. Dort gibt es eine Theorie zur Entstehung von Depressionen, die sog. Verstärkerverlusttheorie. Die besagt, dass Depressive deshalb verstimmt sind, weil sie zu wenig ‚verstärkende‘ Aktionen umsetzen. Damit sind solche Aktivitäten gemeint, die uns guttun. Und nun macht es sicherlich Klick bei Ihnen. Vielen Männern gefällt EM-Fußball-Schauen. Insofern wirkt das Ganze verstärkend-antidepressiv.

Nörgler mögen einwenden, dass das ja nur zutrifft, wenn die eigene Mannschaft gewinnt. Dem würde der Verstärkerverlusttheoretiker entgegnen, dass die Verstärkerbilanz relevant ist und nicht das einzelne Ereignis. Und die ist ja bei der deutschen Mannschaft positiv: insgesamt gewinnen wir mehr Spiele, als dass wir sie verlieren. Aber selbst Anhänger der Mannschaft von Albanien müssen nicht zwingend depressiver sein, weil sie mehr Niederlagen einfahren. Wir Menschen können flexibel unsere Erwartungshaltungen anpassen oder umdeuten. Will heißen: ein Unentschieden oder knappe Niederlage kann von den Albanern als Erfolg und somit verstärkend ‚abgefeiert‘ werden.

Ein weiteres Argument liefert die Motivationsforschung. Wohl fühlen wir uns immer dann, wenn zentrale Motive erfüllt werden. Zu Beginn jeder Therapie messe ich die wichtigsten Bedürfnisse meiner Patienten. Hier einer Auswahl der Motive, die vom EM-Fußball ‚getriggert‘ werden: Abwechslung – die EM gibt es nur alle vier Jahre; Selbstbelohnung: man gönnt sich vier Wochen lang die täglich Dosis Fußball; Geselligkeit: Fußball schaut man selten allein, sondern zusammen beim Grillen mit der Familie, mit Freunden oder beim Public Viewing.

Und nicht zuletzt sei ein Befund aus den Männergesundheitsberichten erwähnt. Männer haben – dem Testosteron sei Dank – einen stärkeren Reizhunger als Frauen. Will heißen, sie benötigen eine höhere sensorische Stimulation – müssen also mehr erleben -, um sich wohl zu fühlen. Das ist auch der Grund, warum Extremsportarten mehr Männer als Frauen anziehen, weil sie hier ihren Reizkick bekommen. Kicken kickt auch – EM-Kicks noch mehr. Es gibt Spiele, die knapp gewonnen oder verloren werden, dramatische Spiele, ein spannendes Unentschieden, ungerechte Schiedsrichterentscheidungen, Elfmeterschießen. Beileibe nicht in jedem Spiel. Aber genau das ist das Reizvolle: man weiß vorher nie, wie das Spiel wird. Der Angler hat auch weniger Spaß, wenn er jedes Mal einen Fisch aus dem Teich zieht.

Jetzt müssen wir uns das Ganze aber auch noch aus einer kardiologischen Perspektive betrachten. Beim Sommermärchen 2006 gab es während des Elfmeterschießens gegen Argentinien viermal so viele Aufnahmen wegen Herznotfällen in Deutschen Krankenhäuser (Quelle: ZEIT 23/2016). Also lieber doch nicht Fußballschauen? Das nun auch wieder nicht. Die Deutsche Herzstiftung hat für vorbelastete Männer einige Tipps parat: vermeiden Sie vor Spielbeginn Pommes und Currywurst. Solche Mahlzeiten belasten den Kreislauf zusätzlich. Wenn’s zu spannend wird, bewegen Sie sich und gehen in den Garten. Oder machen Sie beim Public Viewing mit, wo wir die Aufregung mit Bewegung ausgleichen und in Gemeinschaft besser aushalten. Herzpatienten sollten ihr Nitrospray bereit halten. Und bitte nicht die Luft anhalten, wenn’s spannend wird, sondern fröhlich weiteratmen. Das senkt den Blutdruck.

Halten wir fest: wir können einiges dafür tun, dass uns der Fußball nicht zu sehr ‚zu Herzen geht‘. ob uns die EM seelisch gesünder macht, weiß man nicht. Aber es gibt gute Gründe, die dafür sprechen, dass wir uns während der EM besser fühlen. Und das ist doch schon was, oder?

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