Die Sommerpause ist zu Ende, es geht weiter und passend dazu ein Artikel zur Entschleunigung! Zu diesem Thema sind schon zahlreiche Artikel geschrieben worden. Der SPIEGEL (36/2014) hat sich des Themas sogar in einem Leitartikel „Gegen die Uhr“ angenommen und sprach im Untertitel von der „hektischen Suche nach einem entschleunigten Leben“. Hier einige Fakten zum Thema ‚Beschleunigtes Leben‘, die leicht zu recherchieren sind:
- die Schrittgeschwindigkeit in den Großstädten hat in den letzten zehn Jahren um 10 % zugenommen.
- Abitur macht man heute nach acht und nicht mehr nach neun Jahren, den Bachelor-Abschluss gibt es bereits nach vier Jahren Studium.
- In Folge nimmt die Freizeit ab. Besonders drastisch zeigt sich der Verlust der Eigenzeit bei Familien, die weniger als 3 h täglich miteinander verbringen.
- Arbeitsverdichtung ist in aller Munde. Von 1991 bis 2006 verbesserte sich die Produktivität je Erwerbstätigenstunde um fast ein Drittel.
Nun könnte man allerdings meinen, dass die gestiegene Produktivität eigentlich Zeit spart, die wir dann mehr zur freien Verfügung hätten. Paradoxerweise wird in allen Industriegesellschaften aber Zeitnot beklagt. Soziologen erklären dies Phänomen damit, dass durch die optimierten Arbeits- und Alltagsprozesse die Zahl der Handlungsoptionen wächst. Es kann also viel mehr in ein einziges Leben hineingepackt werden. Und das tun wir auch. Aufgrund der Säkularisierung in den westlichen Gesellschaften fehlt überdies die jenseitige Perspektive, so dass das Projekt Lebenserfüllung vor dem Tod erledigt sein muss.
Beim Thema ‚Beschleunigtes Leben‘ fehlt mir manchmal die Gender-Perspektive. Männer haben im Vergleich zu Frauen einen höheren Reizhunger. Will heißen, sie benötigen eine höhere sensorische Stimulation, um sich wohl zu fühlen. Das ist auch der Grund, warum viele Männer durchaus gerne unter Strom stehen. Oder Geschwindigkeit lieben und – nicht nur beim Autofahren – öfters mal Gas geben. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wenn aber das ‚Immer mehr – immer schneller’ zum beherrschenden Lebensmotto wird, wird aus der Liebe zur Geschwindigkeit Speed-Sucht. Um im Autobild zu bleiben: es wird vergessen, dass das Auto auch Bremspedal und Kupplung hat. Und man den Wagen auch stehen lassen kann, um z.B. auszusteigen, langsamer zu gehen. Oder Müßiggänger zu werden? Damit bin ich beim eigentlichen Thema angekommen. Müßiggang geht den meisten Männern eher ab. Mutmaßlich weil – wie im Sprichwort ‚Müßiggang ist aller Laster Anfang‘ – Müßiggang mit Faulheit und Nichtstun verwechselt wird, was dem männlichen Macherbild widerspricht.
Müßiggang ist aber nach Wikipedia „das Aufsuchen von Muße, das entspannte und von Pflichten freie Ausleben, nicht die Erholung von besonderen Stresssituationen oder körperlichen Belastungen. Er geht zum Beispiel mit geistigen Genüssen oder leicht vergnüglichen Tätigkeiten einher, kann jedoch auch das reine Nichtstun bedeuten.“
Ich denke, dass Müßiggang in einer beschleunigten Zeit eine echte Bereicherung darstellt. Ohne dies mit Studien belegen zu können, glaube ich, dass konsequentes und regelmäßiges Müßiggehen depressive Entwicklungen vorbeugen kann. Depressive sind Pflichtmenschen. Müßiggang trainiert das Pflichten freie und leicht vergnügliche Sein – auch Nichtstun ist erlaubt.
Abschließend einige Anregungen, wie Sie den Müßiggang im Alltag üben können.
- Verbringen Sie ein bis zwei Abende in der Woche medienfrei, d.h. kein Fernsehen, kein Internet, kein Smartphone oder Tablet.
- Schauen Sie einmal am Tag – gedankenlos – in den Himmel.
- Machen Sie einmal täglich für 5 bis 10 min: nichts! Wenn Sie ein strukturiertes Nichtstun benötigen: lernen Sie eine Meditationstechnik.
- Leben Sie im Urlaub oder immer mal wieder am Wochenende für ein bis zwei Tage einfach und planlos in den Tag hinein.
- Spielen Sie wieder, z.B. mit Ihren Kindern – einfach nur aus Lust und ohne pädagogisches Ansinnen.
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