Männer in der Lebensmitte

Fountain pen on middle of open book

Bei dem Thema denkt man sofort an die Midlife-Krise von Männern. Tatsächlich ist in der Fachliteratur durchaus umstritten, ob Männer ab 40 häufiger von Krisen betroffen sind. Meine Erfahrung als Psychotherapeut: Männer entwickeln Krisen in allen Lebensphasen – nicht nur in der Lebensmitte. Wer aber seine bisherigen Lebensübergänge (z.B. Geburt der Kinder, Berufseintritt) gemeistert hat, wird wohl auch mit dem Übergang zur zweiten Halbzeit gut klar kommen.

Umgekehrt gibt es sogar Hinweise, dass die Lebenszufriedenheit ab Mitte 40 zunimmt. Dabei nimmt man an, dass wir mit dem Alter unsere Fähigkeit verbessern, mit Stress umzugehen, also belastende Gefühle zu regulieren. Zudem gelingt es uns ab der Lebensmitte leichter, uns an erfreuliche Ereignisse zu erinnern und unser Gedächtnis weniger mit Unerquicklichem zu belasten. Dieser Effekt wird auch als Positivitätseffekt bezeichnet.

Hilfreich ist dabei sicherlich auch, dass wir ab etwa 40 Jahren über einen reicheren ‚Lebensschatz‘ verfügen: wir wissen, wer wir sind und was wir leisten, was wir erwarten dürfen und auch getrost ignorieren können.

Doch was sind die typischen Herausforderungen für Männer in der Lebensmitte? Aus neueren Studien der Lebenslaufforschung ist bekannt, dass es eher Männer sind, die an dem „Leere-Nest-Syndrom“ leiden. Viele Männer entdecken erst dann, wenn die Kinder ausziehen, was sie verpasst haben. Während Mütter eher froh sind, loszulassen und eigene Freiräume zu entdecken. Väter vermissen ihre Kinder – aber den Kontakt zu ihnen aufrecht zu halten, wird an die Partnerin delegiert.

Zudem laufen die Entwicklungen von Männern und Frauen in der Lebensmitte nicht synchron. Für ihre Karriere und im Berufsleben aufgerieben, sehnen sich viele Männer nach mehr Nähe zu ihren Ehefrauen. Die Partnerin wiederum entdeckt nach jahrelangem Engagement für die Familie ihre Eigenständigkeit neu und fordert stärker ein eigenes Leben – auch unabhängig vom Partner. Das trifft viele Männer umso härter, weil sie den emotionalen Stress ausschließlich mit der Partnerin besprechen und ihr Netzwerk nicht für persönliche Probleme nutzen.

Welche Empfehlungen lassen sich daraus für die mittlere Lebensspanne ableiten?

  • Entdecken Sie den Stellenwert Ihrer Kinder nicht erst, wenn sie ausgezogen sind. Und halten Sie den Kontakt zu ihnen aufrecht – auch unabhängig von der Partnerin.
  • Verhandeln Sie das Thema Nähe-Distanz mit Ihrer Partnerin neu – zur beiderseitigen Zufriedenheit.
  • Vergrößern Sie Ihren emotionalen Spielraum, indem Sie Belastendes nicht nur mit Ihrer Ehefrau besprechen

In der Lebensmitte ist die Lebenszeit, die einem bleibt, irgendwann kürzer als die gelebte Zeit. Das verunsichert, kann aber auch dazu führen, sich auf Wesentliches zu konzentrieren. Wesentlich zumindest waren die Versäumnisse, die wir am Lebensende bereuen würden. Die Autorin Bronnie Ware interviewte Menschen kurz vor ihrem Tod und beschreibt fünf Versäumnisse, die sie immer wieder gehört hat:

  • „Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, weniger nach den Bedürfnissen anderer zu leben“.
  • „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet“ – dieser Punkt wurde vor allem von Männern genannt.
  • „Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle stärker auszudrücken.“
  • „Ich wünschte, ich hätte mich mehr um meine Freunde gekümmert.“
  • „Ich wünschte, ich hätte mir mehr erlaubt, das Leben zu genießen.“

Diese Gedanken, so Ware, können helfen, eigene zentrale Bedürfnisse zu erspüren und als Richtschnur für die zweite Lebenshälfte werden zu lassen. Die Autorin selbst hat ihr Leben als Krankenschwester hinter sich gelassen, um mit dem Schreiben, Komponieren und Singen zu beginnen.

 

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