Neue Jobs – neue Männer: Ich bin inzwischen im öffentlichen Dienst und betreue da natürlich auch Männer. Am meisten habe ich es mit Feuerwehrmännern zu tun – durch ihre beruflichen Anforderungen sehen sie ihren Betriebsarzt erheblich häufiger als die Mehrzahl der white-collar worker. Bisher meist eine Musterauswahl der Fitten, gerne fährt Mann auf dem Ergometer auch eine Leistungsstufe mehr als nach Tabelle erforderlich. Probleme? Eher im Bereich Dienst-Organisation, die Arbeit an sich, schwere Einsätze, Atemschutz, … alles gut.
Letztens traf ich im Erstkontakt ein anderes Exemplar Mann – Anfang 50, oberflächlich alles OK, fit mit guter Leistung auf dem Ergometer. „Ich kümmere mich um alles, ist in meinem Interesse“, Aber, halt, doch ein Makel: der Sehtest unter dem geforderten Niveau. Gleich der freundliche aber bestimmte Einwand „ich sehe alles gut“ – der objektive Test sagt leider etwas anderes. Ich frage nach Tagesform, Schlaf, Belastung durch Schichtdienst… weiter Abwehr – „das hat früher auch immer gereicht, man muss doch das Gesamtbild und nicht einen Einzelwert sehen“. Sehe ich fachlich nicht so, aber OK, vielleicht habe ich ja eine interne Richtlinie übersehen, als „Neuer“ kann man ja nicht alles wissen. Ich sage Prüfung und Telefonat zu. Ich habe leider recht, der Sehtest reicht nicht – also Wiederholung zum Ausschluss einer schlechten Tagesform, ggf. „Sehhilfe erforderlich“, vulgo Brille – genau wie ich dem Feuerwehmann „angedroht“ habe.
Am Telefon bekomme ich dann die volle Packung ab: ob ich kein „Rückgrat“ hätte und mich nur an kleinlichen Zahlen festhalten würde, das ich ihn „ausgehorcht“ habe und man ja wirklich zu mir kein Vertrauen haben könne. Uff – cool bleiben – da ist wohl wer gerade in einem anderen Film! „Es tut mir leid, dass wir nicht zusammengekommen sind. Die Sehtestanforderungen gelten im Übrigen für alle gleich.“ … mehr Angriff …ich ärgere mich inzwischen wirklich und rate, sich schriftlich über mich zu beschweren, wenn es wirklich so schlimm war. Ende. Hey, wo kann ich mich eigentlich über meine Probanden beschweren? Aber zurück:
Habe ich da an der Fassade gekratzt? Mangelnde Akzeptanz von natürlichen Alterungsprozessen wie nach lassender Sehleistung? Kein Raum für Schwäche in einer Männergruppe, wo alle immer 150% geben können wenn es drauf ankommt? Und natürlich auch meine Fassade wurde angekratzt – als kompetenter und einfühlsamer Arzt hätte ich die anderen Ebenen vorher merken müssen und gemeinsam einen Weg erarbeitet…
Vielleicht braucht man aber auch Erlebnisse wie diese, die an der Fassade kratzen um sich nochmal die Substanz zu besehen. Bei wem werden Sie heute an der Fassade kratzen – und wer an Ihrer?
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