Gehen Männer seltener zum Arzt?

Interior of a waiting room with a table of reception

Haben Männer die Angewohnheit seltener in die hausärztliche Praxis zu gehen oder einen Besuch möglichst lange hinauszuzögern? Sind wir wirklich (Vor-)Sorgemuffel wie es so häufig geschrieben wurde? Oder sind Frauen einfach häufiger in Ihrer hausärztlichen Praxis aufgrund gynäkologischer und reproduktionsbezogener Behandlungen? Eine Forschungsgruppe um Kate Hunt von der University of Glasgow wollen mit der Studie „Do men consult less than women? An analysis of routinely collected UK general practice data“ diese Fragen beantworten.

Warum diese Studie?

Das Forschungsteam geht dabei davon aus, dass es verschiedene Gründe für das „gender gap“ – also die unterschiedliche Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen – gibt. Neben biologischen Unterschieden wird auch ein anderes Risiko- und Gesundheitsverhalten von Männern genannt. Dies beinhaltet auch das Inanspruchnahmeverhalten von Gesundheitsleistungen, also auch den Besuch beim Hausarzt. Allerdings fehlen laut Autorinnen einheitliche Ergebnisse aus anderen Studien, die diese Annahme untermauern würden – vor allem bezogen auf Vergleiche zwischen Männern und Frauen, die gleiche Grunderkrankungen aufweisen. Daher zielte die Studie darauf ab, die unterschiedlichen Muster von hausärztlichen Konsultationen von Männern und Frauen in Großbritannien zu untersuchen.

Wie wurde vorgegangen?

Zum methodischen Vorgehen: es wurden Geschlechterdifferenzen in der Häufigkeit von hausärztlichen Konsultationen im Lebensverlauf analysiert, d.h. die Daten wurden für jede Altersgruppe untersucht. Um Differenzen hinsichtlich gleicher Grunderkrankungen zu untersuchen, wurden Patienten und Patientinnen mit einer diagnostizierten Depression oder Herz-Kreislauf-Erkrankung einbezogen. Damit sollte untersucht werden, ob Männer bei einer gleichen Grunderkrankung seltener als Frauen zum Hausarzt gehen. Konsultationen aufgrund reproduktions-bezogener Behandlungen wurden aus dem Modell herausgerechnet.

Datengrundlage ist das Health Improvement Network (THIN). In der THIN-Datenbank sind die Kontakte von über 10 Millionen Patienten und Patientinnen aus ca. 500 hausärztlichen Praxern in Großbritannien abgebildet. Dabei sind die hausärztlichen Praxen nicht mit den hiesigen zu vergleichen. Ärzte arbeiten dort in Behandlungszentren und haben entsprechend höhere Behandlungszahlen pro Einrichtung, 90% aller Erstkontakte mit dem Gesundheitssystem geschehen in diesen Zentren. In die Querschnittserhebung gingen die Kontakte von 1,87 Millionen Männern und 1,92 Millionen Frauen aus 446 hausärztlichen Praxen im Jahr 2012 ein.

Was kam dabei raus?

Die rohen Ergebnisse zeigen eine um 32% niedrigere Konsultations-Rate bei Männern mit 3152 Kontakten auf 1000 Personenjahren bei Männern gegenüber 4607 Kontakten auf 1000 Personenjahren bei Frauen. Die signifikant unterschiedliche Rate setzt allerdings erst ab einem Alter von ca. 15 Jahren ein und gleicht sich ab einem Alter von ca. 60 Jahren wieder an. Nur ein kleinerer Teil der häufigeren Konsultationen von Frauen kann durch reproduktions-bezogene Kontakte erklärt werden. Frauen und Männer mit einer vergleichbaren Grunderkrankung unterscheiden sich nur sehr gering hinsichtlich der Konsultationen.

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Es konnte bestätigt werden, dass Geschlechterunterschiede bezüglich der Häufigkeit von hausärztlichen Konsultationen bestehen – mit einer ca. 30% geringeren Konsultationsrate bei Männern. Dieser Unterschied variiert stark nach Alter der Probanden – vor allem im mittleren Lebensalter, also der Phase von Beschäftigung, gehen Männer seltener zum Hausarzt. Schaut man sich die Ergebnisse bei einer bei Frauen und Männern vorkommenden Grunderkrankung an, sind die Unterschiede nur marginal.

Für mich bedeutet dies, dass Männer bei einer bekannten Problematik durchaus regelmäßig in die Praxis gehen und Verantwortung für ihre Krankheit übernehmen. Wenn allerdings alles im und am Körper funktioniert, sehen sie seltener einen Grund zum Arzt zu gehen.

Nichtsdestotrotz ist eine frühzeitige Behandlung von Erkrankungen entscheidend für den Erfolg einer Therapie. Daher sollten Maßnahmen ergriffen werden, damit vor allem arbeitende Männer besser erreicht werden. Beispielsweise könnten hausärztliche Praxen Sprechstunden in den späten Tagesstunden anbieten, damit Männer auch nach der Arbeit entspannt in die Praxis kommen können. Oder gleich hausärztliche Sprechstunden in den Betrieben anbieten. Werbekampagnen könnten die Bereitschaft eines Ganges zum Hausarzt erhöhen – als Werbefiguren eignen sich dafür z.B. bekannte Sportler. Informations- und Einladungsschreiben für die Check-up-Untersuchungen für Männer ab dem 35. Lebensjahr könnten ebenfalls die Akzeptanz solcher Angebote erhöhen. Dies trifft übrigens auch auf Präventionsangebote zu, die von Männern ebenfalls in deutlich geringerem Ausmaß als Frauen wahrgenommen werden.

Ach, und der vielfache Irrglaube „Ärzte finden immer etwas“ stimmt nicht!

 

Quelle: Wang Y, Hunt K, Nazareth I, Freemantle N, Petersen I. Do men consult less than women? An analysis of routinely collected UK general practice data. BMJ Open 2013;3:e003320 doi:10.1136/bmjopen-2013-003320 http://bmjopen.bmj.com/content/3/8/e003320.abstract

Ein Kommentar zu „Gehen Männer seltener zum Arzt?

Gib deinen ab

  1. ich gehe auch seltener zum arzt als meine frau und als meine mutter. das liegt an folgendem:
    1. ich will nicht das mein arzt sich mit kleinigkeiten rumschlagen muss, denn ich habe den eindruck, das ärzte genervt davon sind, wenn menschen mit „kleinen weh wehchen“ zu ihnen kommen, während jemand mit ner lungenentzüdnung im wartezimmer sitzt.
    2. wenn ich beschwerden habe, wird in 8 von 10 fällen nichts gefunden, was die beschwerden verursacht, was den arztbesuch am ende überflüssig macht. die tips, die ich dann bekomme, sind vermutung und bringen oft kaum etwas
    3. wenn ich mit beschwerden zum arzt ging, zu denen eine ursache gefunden wurde, hörte ich in fast allen fällen „da kann man leider nichts gegen machen“.
    4. fehldiganosen: ich hatte monatelang lungenbeschwerden, mein hausarzt fands nichts und schob es auf schiefes sitzen, ein anderer HA tippte auf eine rippenfell entzündung. erst nach 4 monaten im krankenhaus kam das ergebnis: pneumothorax. zweites beispiel: schilddrüse. ich war jahrelang schlapp, müde, nahm zu, hatte konzentrationsprobleme. bekam nur ernährungstipps und schlaf tips. erst nach 2 jährigem bestehen und verschlimmerung der symptome, wurde das blut untersucht. ergebnis hypotheriose.

    all das sind faktoren, die mir über meine jahre, von jugend bis heute mitte 30 den arzt ein wenig versauert haben. und ich gehe fast nur noch mit verletzungen oder infektionen zum arzt.

    ist es da wirklich ein wunder, dass man immer weniger zum arzt geht? für mich hat das absolut nichts mit schwäche oder ego zu tun, sondern einfach mit erfolg und ergebnis

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