Da ich momentan vor Weihnachten noch so viel um die Ohren habe und einige Blogideen mir fürs nächste Jahr „aufsparen“ möchte, heute mal wieder ein kleiner Ausschnitt aus dem Buch bzw. aus meinem Gespräch mit dem Organisationsentwickler und Genderexperten Michael Gümbel aus Hamburg. Ich konnte ihn für mein Buch interviewen und dadurch mehr über Frauen und Männer lernen und verstehen. Vorab dazu einmal kurz die Definition für Gender bzw. die Geschlechtersicht.
Genderdefinition (nach Wikipedia)
Der Begriff Gender bezeichnet als Konzept die soziale, gesellschaftlich konstruierte (somit herrschaftlich positionierte) oder psychologische Seite des Geschlechts einer Person im Unterschied zu ihrem biologischen Geschlecht (engl. sex). Der Begriff wurde aus dem Englischen übernommen, um auch im Deutschen eine Unterscheidung zwischen sozialem („gender“) und biologischem („sex“) Geschlecht treffen zu können, da das deutsche Wort Geschlecht in beiden Bedeutungen verwendet wird.
Gender versus Geschlecht
Übersetzt heißt das, es gibt nicht „den“ Mann oder „die“ Frau. Frauen können wie Männer sein und Männer wie Frauen. Entscheidend ist dabei nicht das biologische Geschlecht, sondern wo und wie sie aufgewachsen und sozialisiert wurden. In diesem Buch wird versucht, die Genderperspektive „des Mannes“ zu betrachten. Dabei ist klar, dass es auch viele Frauen gibt, die ein „männliches“ Gesundheitsverhalten an den Tag legen. Sie sollen auch mit diesem Buch angesprochen werden. Wichtige Fragen, die sich dabei stellen, sind: Welche weiblichen und männlichen Rollenbilder existieren in der jeweiligen Kultur? Wie wurde man als Kind erzogen? Welche Wertvorstellungen hat man von zu Hause mitbekommen?
Ausschnitt aus dem Gespräch mit Michael Gümbel:
„Das Rollenbild des Mannes befindet sich im Umbruch. Das aktuelle Ideal prägt jedoch eine starke Ambivalenz der erwünschten Eigenschaften: Der Mann soll stark sein, aber auch sensibel, und die Fähigkeit besitzen, seine Gefühle zu zeigen. Er soll gut zuhören können, sein Umfeld wahrnehmen und erspüren, was andere Menschen bewegt. Zugleich soll er auch klare Entscheidungen treffen können – schnell und beherzt.
Das Männerbild ist offensichtlich weicher geworden. Eigenschaften wie „sensibel“ oder „emotional“, die noch vor einigen Jahren als weiblich galten und Männern abgesprochen wurden, werden heute auch von Männern erwartet.
Es wäre also nachvollziehbar, würden sich diese Eigenschaften langsam von ihrer Festlegung auf ein Geschlecht lösen. Doch dem ist nicht so, wie die Untersuchungen des Organisationsentwicklers und Genderexperten Michael Gümbel zeigen. Er beschäftigte sich damit, welche typischen Attribute Männern und Frauen zugeordnet werden. Frauen werden nach Gümbels Analysen nach wie vor Attribute wie sensibel, fürsorglich, schön, kommunikativ und Familie/Kinder zugeordnet. Männern werden hingegen Attri- bute zugeschrieben wie stark, robust, beruflicher Erfolg, fachlich/sachlich und durchsetzungsfähig.
Hier tut sich also ein großer Widerspruch auf: Auf der einen Seite ist das aktuelle Bild vom „richtigen“ Mann geprägt von der Forderung, auch sensibel, fürsorglich und kommunikativ zu sein. Wird jedoch danach gefragt, welche Eigenschaften einen Mann tatsächlich ausmachen, kommen diese erwarteten Attribute (noch) nicht vor. Unsere inneren Rollenvorstellungen sind demnach weitaus traditioneller als unser nach außen formuliertes Ideal.
Letztlich ist es unsere innere Vorstellung von „männlichen“ und „weiblichen“ Eigenschaften, über die wir unsere Identität bilden und an denen wir uns selbst und auch andere messen.
Insofern lenkt die innere Vorstellung auch unseren Umgang mit uns selbst und bestimmt, was wir für wichtig oder unwichtig erachten. Das betrifft schließlich auch den Stellenwert des Gesundheitsverhaltens. Ein Mann, der nach außen hin durchaus sensibel erscheint, sich aber innerlich über das Attribut „robust“ definiert, wird sich vermutlich trotz aller Sensibilität kaum um irgendwelche gesundheitlichen „Zipperlein“ kümmern. Hat er Schmerzen, wird er diese aushalten und erst einmal abwarten, ob sie nicht von allein verschwinden. Fühlt er sich sozial oder psychisch unwohl, wird er dies vermutlich erst einmal ignorieren.
Nun wäre denkbar, dass die Öffnung des „männlichen“ Rollenideals hin zu weiblichen Werten wie Sensibilität oder sozialer Offenheit den Mann vom Zwang, ein „harter Mann“ sein zu müssen, entlasten und befreien würde. Aber dem ist nicht so. Für viele Männer bedeutet der Wandel des Rollenbildes vor allem Verunsicherung und zusätzlichen Druck. Denn gerät ein festes Rollenbild ins Wanken, entsteht nicht nur Freiheit. Auch die Unsicherheit wächst, weil ein festes Rollenideal auch Stabilität und Sicherheit bietet.
Der Mann ist heute aufgefordert, sich aus den vielen Möglichkeiten gelebter Männlichkeit sein ganz persönliches Rollenideal zu schaffen – sozusagen seine individuelle Männlichkeit. Doch dies erfordert eine gute Selbstkenntnis, den Willen nach Reflexion, eine gute Portion Konfliktfähigkeit und den ehrlichen Umgang mit sich selbst – inklusive dem Eingestehen von Schwächen oder Zweifeln.“
Wie immer wünsche ich Ihnen zum Abschluss eine gesundheitliche Woche.
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