Grün ist die Hoffnung – oder sieht die heutige Arbeitswelt so aus? Man könnte die Realität der heutigen Arbeitswelt mit zwei Flaschen abbilden: Tagtäglich sollen Beschäftigte den Inhalt einer Ein-Liter-Flasche in eine 0,75-Liter-Flasche umfüllen. Dabei darf nichts überlaufen. Doch wo die überzähligen 0,25 Liter hin sollen, das sagt einem niemand und das weiß auch letztlich niemand.
Übersetzt in die Arbeitswelt heißt das: Der ständige Wandel, der ständige Zwang zur Optimierung von Arbeitsabläufen, zur Flexibilisierung, zur Umstrukturierung übersteigt die Möglichkeiten der Beschäftigen. Die Arbeitsanforderungen ähneln der Aufgabe, einen Kreis zum Quadrat zu machen. Oder eben einen Liter in eine 0,75 Liter Flasche zu füllen. Es geht einfach nicht.
Wenn technische Prozesse nicht mehr weiter verbessert werden können, um die Beschleunigung und Optimierung zu liefern, muss das Individuum sich und seine Arbeitsleistung optimieren, wenn die immer höheren Leistungsziele erreicht werden sollen. Das ist nur logisch.
Doch inzwischen ist auch hier ein Ende abzusehen. Viele Beschäftigte können ihr Arbeitstempo nicht weiter erhöhen, ihre Abläufe nicht noch weiter optimieren, noch schneller Neues lernen. Zumal wir im Rahmen des demographischen Wandels alle älter werden und bei vielen nicht das Tempo und die Aufnahmefähigkeit die größte Ressource ist, sondern die Erfahrung.
Diese Situation führt bei vielen Beschäftigten zum Gefühl, dass die Anforderungen ständig quantitativ steigen – aber ihr Handlungsspielraum und ihre Aussicht darauf, die Veränderungen und Anforderungen erfolgreich zu meistern, ständig sinken. Dieses Ungleichgewicht löst Stress aus und kann der Gesundheit schaden. Dies gilt natürlich für Frauen wie für Männer. Männer reagieren allerdings häufig grundlegend anders auf diese Art von Überforderung als Frauen.
Die Männerrolle befindet sich seit vielen Jahren in einem Wandel. Auch die für Männer so wichtige berufliche Rolle unterliegt diesem massiven Wandel. Da es nicht „den“ Mann und „die“ Arbeitswelt gibt, möchte ich mich im Buch primär mit dem Wandel an sich und den Genderaspekten der Arbeitswelt beschäftigen. Außerdem muss uns klar sein, dass es auch innerhalb der Männerschaft starke Unterschiede gibt. Hierzu habe ich mit Martin Dinges, Michael Gümbel, Norbert Rönnau und Ulrich Gehring gesprochen. (Siehe Interviewliste: http://wp.me/P3eH4G-kH) Mehr dazu im Buch.
Letztendlich passt die Selbstoptimierung zum männlichen Rollenbild. Was macht nun Männer in der heutigen Arbeitswelt krank? Auf der einen Seite steigt der Druck ständig (Tempo, Optimierung der Technik und Abläufe etc.). Zugleich ist die klassische Männerarbeit immer weniger gefragt und Männer müssen lauter neue Fähigkeiten erlernen und einsetzen (Kommunikation, Beratung etc.). Die Belastungen steigen also auf verschiedenen Ebenen. Doch das „männliche“ Rollenideal verhindert es, diese Belastungen aktiv zu reduzieren oder auch nur in Frage zu stellen. Das „männliche“ Rollenideal schließt ein, dass man mit Belastungen jeglicher Art zurechtkommt. Das Gefühl von Überlastung passt nicht in dieses Rollenbild. Der Effekt: Jeder Einzelne muss sich zwangsläufig ständig selbst optimieren, um im Berufsleben und im Privatleben noch mithalten zu können – sowohl mit den Ansprüchen von außen als auch mit den eigenen Ansprüchen an sich selbst.
Moderne Unternehmensoptimierungsstrategien befeuern diese Tendenz: Seit Jahren fordern Firmen ihre Beschäftigten in Leitbildern und Führungsleitlinien auf, dass jeder das Beste aus sich herausholen soll. Sich selbst ständig fragen soll: Gebe ich immer mein Bestes? Bilde ich mich genug fort? Sind meine Vorgesetzten mit mir zufrieden?
Das Ideal des modernen Menschen ist es, sich ständig weiterzuentwickeln. Im Beruf, aber auch im Privatleben. Lebe ich gut? Habe ich alles? Tue ich genug für meine Gesundheit? Mache ich genug Sport? Ernähre ich mich gut? Lebe ich eine erfüllte Partnerschaft? Entwickeln sich meine Kinder gut in der Leistungsgesellschaft?
Das sind natürlich Fragen, die Männer wie Frauen umtreiben. Und die Kombination aus beruflichen Anforderungen und den Aufgaben im Privatleben lässt in vielen Menschen das Gefühl entstehen: „Ich schaffe das alles nicht mehr.“ Da für Männer aber die berufliche Rolle immer noch eine größere Rolle spielt, sind sie hier gefährdeter, einen „modernen Arbeitsunfall“ zu erleiden.
Lesen Sie mehr dazu im Buch. Wie immer wünsche ich Ihnen eine gesundheitliche Woche.
Der Zwang zur Selbstoptimierung

Tja, vielleicht ist ein erster Schritt, nicht das Prinzip zu ändern, sondern neue Fragen zu stellen: „Habe ich genug Muße gehabt?…“ – letztlich kratzt das aber nur an der Oberfläche.
Habe kürzlich interessiert das Blog einer Aussteigerin gelesen, was einen wieder zur Frage „was ist wichtig“ bringt: http://www.pinkcompass.de/