Wenn man über die zentralen Grundbedürfnisse des Männerlebens spricht, landet man eigentlich bei drei wesentlichen Kategorien. Als „Komplexitätsreduzierer“ leite ich dies von dem ausdrucksstarken männerspezifischen Angelwerbespruch „Eat, Sleep, Go Fishing!“ ab. Hierbei wird etwas humorvoll von einem Angelsportanbieter tituliert, dass Man(n) nur Schlaf, Essen und Angeln fürs Leben braucht. Ich finde solche Reduzierungen auf das Wesentliche immer reizvoll. Das Thema Männergesundheit ist an sich schon so komplex und verschachtelt (Alter, sozialer Status, Bildung, Rang, etc.), das ein leichterer Zugang manchmal dienlich sein kann.
Anstatt von „Eat, Sleep…“ spreche ich vom „Aufnehmen, Regenerieren, Bewegen“. Mehr brauchen wir eigentlich nicht. Alles in guten Maßen hält gesund, ohne das jegliche Gesundheitsförderung oder Arztbesuche benötigt werden.
Männer werden ja häufig gerne als die Gesundheitsmuffel tituliert. Ich glaube, dass mögen die Zahlen der Kassen und Verbände vielleicht ja auch hergeben. Vielleicht messen wir aber falsch. Vielleicht tun Männer schon sehr wohl etwas für ihre Gesundheit, nur halt nicht nach unseren Maßstäben. Klar, Männer sterben immer noch deutlich früher als Frauen. Interessanterweise ist aber ihre sogenannte gesundheitsbezogene Lebensqualität fast gleich zu der von Frauen. Übersetzt bedeutet das, Frauen haben bzgl. ihrer Lebensqualität nicht allzu viel von ihren 5-8 Jahren mehr Lebenszeit. Männer empfinden ihre subjektive Gesundheit auch durchweg besser als Frauen. Kurz und knapp im Vergleich zu Frauen: Männer fühlen sich gesünder, sind allerdings häufig kränker. Das stellt, meiner Meinung nach, verrückter weise einen Gesundheitserhaltungseffekt dar. Mir, als Arzt ist jemand lieber, der zwar einen gewissen Rucksack an Krankheiten mit sich rumträgt, sich aber trotzdem gesund fühlt. Problematisch wird es dann, wenn es genau anders herum ist. Dazu heute aber nicht mehr.
Zurück zu den zentralen MännerGrundbedürfnissen. Die „Männer-Selbst-vor-Sorge“ beinhaltet häufig sehr sinnvolle Aktivitäten. Männer sind da in manchen Bereichen nämlich gar nicht schlecht aufgestellt. Die schon hier zitierte BSR – Berliner Stadtreinigung (siehe auch „Der Gesundheitslotse“ http://wp.me/p3eH4G-21) hat vor kurzem eine Umfrage unter ihrer Männerbelegschaft durchgeführt. Dabei konnte die firmeninterne Gesundheitsförderung 1132 Männern befragen. Frauen wurden explizit mal nicht angesprochen. Neben vielen anderen interessanten Ergebnissen stellte sich heraus, dass 75% der Befragten angab, etwas für ihre eigene Gesundheit zu tun. Auf Nachfrage „Was denn?“ kamen natürlich Dinge wie Sport oder gesunde Ernährung. Für manche gehörte aber auch das Darten, Billard spielen oder das Angeln dazu. Ist das jetzt gesundheitsförderlich? Wir denken doch bei irgendwelchen „Kneipensportaktivitäten“ an verrauchte Buden und an ausufernden Alkoholkonsum. Wenn man sich mal davon freimacht und annimmt, dass heutzutage Raucher draußen stehen müssen und kaum noch Beschäftigte sich es leisten können, abends zu saufen und morgens wieder fit auf der Bühne zu stehen, könnten diese Männergesundheitsmaßnahmen sehr wohl sinnvoll sein. Sie passen für mich in die Rubrik „Regeneration“.
Im Herbst erscheinenden Männergesundheitspraxisratgeber „Männer im Betrieb(s)Zustand“ werde ich ein Modell der Männergesundheit aufzeigen, welches diese zentralen Grundbedürfnisse in zweierlei Form aufnimmt. Der Mann kann seine zentralen Grundbedürfnisse ausgleichend oder gefährdend ausüben, besser gesagt wahrnehmen. Hier kurz die Inhalte des Modells angeschnitten.
Das Aufnehmen – Das Orale – „Alles was oben rein kommt.“
Ausgleichend: Essen und Trinken
Gefährdend: „Saufen“, „Fressen“, Rauchen, Drogen, etc.
Die Regeneration – Der Ausgleich – „Alles was uns wieder Kraft gibt.“
Ausgleichend: Hobbies, Männerfreundschaft, stabile Partnerschaft, Schlaf, Fussballkultur etc.
Gefährdend: Mangel an den ausgleichenden Dingen, Arbeitssucht, Spiel- und Internetsucht, etc.
Die Bewegung – Das Rauslassen – „Alles was uns runterbringt.“
Ausgleichend: Sport, Alltagsbewegung
Gefährdend: Extremsport, gewalttätiges Verhalten, risikohaftes und schnelles Autofahren, Inaktivität, etc.
In den Unterbereichen finden sich zu erwartende aber auch ungewöhnliche Themen. Lassen Sie sich überraschen.
Uns sollte jedoch klar sein, dass wir Männern in der Gesundheitsförderung nicht einfach einzelne Bereiche streitig machen können, ohne ihnen neue „männliche“ Wege aufzuzeigen. Wenn nämlich diese fehlen, wird der Mann an seinem alten Verhalten festhalten, weil er mit den eher „weiblichen“ Wegweisungen nichts anfangen kann.
Ein Beispiel. Wenn ich mit Männern in Abnehmkursen arbeite, vermittle ich immer, dass es einen „Sautag“ in der Woche geben kann. Das nennt sich flexible Kontrolle. An diesem Tag können und sollen sie sich weiterhin gehen lassen und nicht auf ihr Ernährungs- und Essverhalten achten. Diese Nachricht erleichtert viele Männer und lässt sie die weiteren Informationen zum Essen besser aufnehmen. Sie haben dann kein schlechtes Gewissen mehr, welches wieder kompensatorisch zum Essen führen kann. Ich frage auch immer leicht humorvoll unterlegt „Esst ihr schon oder fresst ihr noch?“ Es ist vielleicht ein dummer Spruch, leitet sich aber aus dem angerissenen Modell ab. Diese liebevolle Konfrontation wirkt meistens ganz gut. Man kann mit dem Männergesundheitsmodell den Männern sehr gut ihr Verhalten spiegeln und ihnen andere „männliche“ Wege aufzeigen, die vielleicht nicht ganz so gefährdend sind.
Abschließend zurück zum „Eat, Sleep, Go Fishing!“ bzw. dem Bild zum Blog. Dieser Mann soll den Brückenschlag zur eigenen Gesundheit symbolisieren. Er geht seinem Ausgleich nach und angelt sich dabei eine gute Regeneration. Er tut dies schwungvoll und nicht passiv. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen wie immer eine gesundheitliche Woche und schauen Sie doch mal, was Sie sich gesundheitsförderlich angeln können.
Moinsen ! Dein Vortrag heute in ERL hat mir gut gefallen und mir neue Impulse geliefert ! Weiter so bzw. danke dafür.
Danke für das Feedback. Gerne geschehen!