Depressionen gelten mittlerweile als ‚Volkskrankheit‘. Im Jahr 2020 erreichen Depressionen nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation den zweiten Platz in der Liste der Krankheiten – gemessen an der Anzahl der beeinträchtigten Lebensjahre. Viele Studien legen den Schluss nahe, dass Frauen ein zwei- bis dreimal so hohes Risiko haben, einmal im Leben depressiv zu werden. Diese Befunde werden im 2010 erschienenen Männergesundheitsbericht kritisch hinterfragt: so sind die Depressionsraten in jüdisch-orthodoxen Gemeinden gleich hoch, weil hier typische männliche Stressbewältigungsstrategien – der Alkoholkonsum – tabuisiert sind. Vergleichbares gilt für streng egalitär organisierten Gesellschaften wie bei den Amish People in den USA.
Zusätzlich gibt es Hinweise für eine systematische Unterdiagnostizierung von Depressionen, insbesondere bei jungen Männern. Laut dem Gesundheitsbericht gibt es ein Geschlechterparadox bei Depressionen und Suizid. Während die Depressionsrate der Männer nur halb so hoch ist wie bei den Frauen, ist die Rate für einen vollendeten Suizid drei- bis zehnmal so hoch. Bei 80 % der Fälle ging dem Suizid eine depressive Entwicklung voraus, so dass von einer erheblichen Dunkelziffer depressiver Erkrankungen bei Männern auszugehen ist.
Diskutiert werden in diesem Zusammenhang andere Symptomkriterien für die Depression von Männern. Dazu zählen laut einer amerikanischen Studie:
• Vermehrter sozialer Rückzug, der oft verneint wird
• Burnout: berufliches Überengagement, das mit Klagen über Stress maskiert wird
• Abstreiten von Kummer und Traurigkeit
• Zunehmend rigide Forderung nach Autonomie (in Ruhe gelassen werden)
• Hilfe von anderen nicht annehmen
• Ab- oder zunehmendes sexuelles Interesse
• Zunehmende Intensität und Häufigkeit von Ärgerattacken
• Impulsivität
• Vermehrter exzessiver Alkohol- und/oder Nikotinkonsum
• Ausgeprägte Selbstkritik, bezogen auf vermeintliches Versagen
• Versagensangst
• Andere für eigene Probleme verantwortlich machen
• Verdeckte oder offene Feindseligkeit
• Unruhe oder Agitiertheit
• Konzentrations-, Schlaf- und Gewichtsprobleme
Wie kann man als Führungskraft oder Personalverantwortlicher mit männlichen Mitarbeitern umgehen, bei denen die o.g. Anzeichen wahrzunehmen sind? Sprechen Sie Ihren Angestellten in einem Vier-Augen-Gespräch direkt an und teilen ihm Ihre Beobachtungen mit. Vermeiden Sie dabei eine diagnostische Einschätzung – das ist die Aufgabe vom Arzt oder Psychotherapeuten, sondern führen möglichst konkret an, was Sie beobachten. Hier einige hilfreiche Formulierungen: ‚Herr Schmidt, Sie kommen mir in letzter Zeit gereizter als sonst/angespannt/unkonzentriert vor/Hab schon mehrfach erlebt, dass Sie Hilfe – manchmal etwas barsch – abgelehnt haben. Sie wirken abwesend / unkonzentriert / ziehen sich in den Pausen mehr zurück.
Auch wenn Ihre Beobachtungen abgestritten werden, akzeptieren Sie den Widerstand und bieten dennoch Ihre Hilfe an.
In vielen Psychotherapien macht man die Erfahrung, dass es für Personalverantwortliche einfacher ist, über Stress außerhalb der Arbeit als über berufliche Stressoren zu reden. Vermeiden Sie nicht dieses Thema! Die meisten Angestellten wissen ganz gut, was ihnen zu viel wird und was zu einer Entlastung beitragen könnte. Männer mit einer Erschöpfungsdepression fallen z.T. monatelang aus. Durch einen anderen Jobzuschnitt können Sie einen solchen Ausfall u.U. verhindern.
Mehr dazu unter http://www.maennergesundheit-sh.de/index.php/blog-maennergesundheit.
Hat dies auf Jerry's Blog rebloggt und kommentierte:
Männer leiden anders und nehmen dieses Leid auch anders wahr, nämlich gar nicht.