Wenn man typische Männerklischees bedienen möchte, braucht man eigentlich nur zwei Worte: Autos und Fussball. Die Autos lasse ich heute mal weg und schreibe etwas über die Bedeutung von Fussball, vor allem für Männer. Da ich das nicht alleine kann, habe ich fürs Buch einen bekannten Sportjournalisten, Radiomoderator, Kolumnisten und Stadionsprecher interviewt. Ich möchte hier nun von meinem Gespräch mit Arnd Zeigler berichten. Seine Antworten sind dieses Mal im O-Ton der Interviewabschrift belassen.
„Arnd, warum mögen viele Männer Fussball?“
„Einerseits geht es mir so, dass es ein Phänomen ist. Wenn man anfängt zu erklären, was daran toll ist, gerät man sehr schnell an Grenzen. Dann bist du schnell bei diesem klassischen, was ist so toll daran, wenn Männer, erwachsene Männer auf dem Rasen versuchen, einen Ball in ein Tor zu stoßen und dann entzauberst du das so ein bisschen. In meinen Augen funktioniert das so ein bisschen wie verliebt zu sein. Also das ist auch am besten, weil man es nicht erklären kann. Man verliebt sich ja nicht rational und denkt: Die ist toll, weil die blonde Haare und einen Job hat, den ich gut finde.
Meine Theorie ist, dass der Fußball dir erlaubt, emotional zu sein ohne das es tiefgreifende Konsequenzen für dein wirkliches Leben hat. Du kannst im Fußball alle Gefühlsregungen abgebildet finden, die es gibt. Du hast im Fußball Trauer. Du hast Euphorie, Freude, Neid, was auch immer, Ehrgeiz, Niederlagen, Siege, Triumphe.
Du kannst auch Fan von einer Mannschaft sein, die immer verliert. Du hast im Fußball die extremsten Gefühlsregungen abgebildet. Du kannst nach einer Niederlage deiner Mannschaft dich so fühlen, als wenn jemand aus deiner Familie gestorben wäre. Das heißt, du hast im Prinzip das gleiche Gefühl, es muss aber niemand dafür sterben. Der Fußball erlaubt dir, an diesen Sachen teilzuhaben und die mit eigenen Ausschlägen zu erleben ohne, dass es für dein Leben wirklich dramatische Konsequenzen haben muss. Das ist natürlich auch im positiven zu finden.
Als erwachsener Mann, der wirklich richtig Fan ist, weißt du ganz genau, was du gemacht hast, als dein Verein zum letzten Mal Meister geworden ist. Das hast du bei keiner anderen Sportart. Es sei denn du bist Bayern-Fan, dann ist es natürlich nicht so einfach.
Das Tolle ist, dass Fußball den Männern erlaubt so zu sein. Du erlebst ja kaum Männer, die im Kino oder Theater weinen oder die irgendwo abgehen können, so richtig. Das machst du beim Fußball. Das machst du eben nicht, wenn du einen guten Film siehst, dass du jubelnd durchs Zimmer läufst, sondern das erlaubt nur der Fußball.
Und der Fußball gibt dir, ähnlich, wie das bei einer Religion ist, auch Regeln an die Hand. Er sagt dir, wann du wo sein musst, um das zu zelebrieren. Du hast sozusagen eine Gebrauchsanweisung. Du musst dir auch nicht ständig neue Dinge überlegen, sondern der Fußball nimmt dich an die Hand. Das ist der Spielplan, da steht dein Verein, da spielen die, dann ist wieder das Auswärtsspiel. Das ist eine gewisse Ordnung.
Das würde sonst niemand rauslassen. Du hast wahrscheinlich als Mediziner eine Meinung dazu, das Ding ist aber auch, natürlich im Positiven wie im Negativen. Bei mir ist es so, wenn mein Verein, so ein Spiel wie letztens verliert, da bin ich richtig fertig hinterher. Also jetzt nicht psychisch, aber ich bin wirklich körperlich geschafft. Ich gehe nach Hause und denke „Verdammt!“ und könnte auch was kaputt treten.“
Vielleicht regt Sie dieser Text zur Diskussion über Fussball als adäquate MännerRegeneration an. Kommentare sind gerne gewünscht. Wie immer wünsche ich Ihnen eine gesundheitliche Woche.
„das gleiche Gefühl, aber es muss keiner Sterben“ – also so wie die Katharsis nach der Tragödie – oder die Karfreitagsprozession (da ist das Sterben schon 2000 Jahre her). Nur Fußball ist von der Form lockerer. Schwierig, wenn dann noch der Alkohol die Hemmschwellen sinken läßt. Wenn dann nach einem Werder-Heimspiel mal wieder alle Radwege voll zerbrochener Flaschen sind, frage ich mich aber, ob das für den einen oder anderen nicht doch zu viel Freiraum bietet.