Noch im Schreibprozess fürs Buch heute mal eine kurze Rückmeldung zu einem Blogbeitrag aus dem August 2013. Da habe ich hier über einen Mann geschrieben (http://wp.me/p3eH4G-6I), der seit Jahren durchs Leben lahmt. Nun habe ich ihn durch Zufall wieder getroffen und mal nachgehakt, wie es weiter gegangen ist. Er lahmt noch immer. Viele Ärzte und einige Operationen später ist es nicht besser geworden. Man hat weiter akribisch die „Dawos“-Therapie fortgeführt und ihm leider immer noch nicht helfen können. Längeres Gehen geht gar nicht und Treppen steigen ist fast unmöglich. Er hält „die Ärzte“ immer noch für unfähig und ist noch nicht wirklich weiter gekommen.
Als ich ihn frage, ob er auch noch mal an „das Andere“ gedacht habe, verneint er dies mit den Worten: „Warum soll denn der Kopf mit dem Körper so umgehen?“ Ich hake nach und frage ihn, wie denn unser Gespräch von damals auf ihn gewirkt hätte. Er fand es gut und gesteht: „Ich hab´ mir auch schon so etwas damals gedacht!“ Ihm sei schon irgendwie bewusst, dass sein Erlebtes und die unausgesprochene Schuld so etwas auslösen könne. Aber es gelingt ihm nicht, dieses wirklich zu glauben und den Mut aufzubringen, es laut auszusprechen und zu bearbeiten. Und an eine Psychotherapie habe er noch nicht gedacht, was soll ihm das auch bringen?
Im kurzen Gespräch sind wir nicht alleine und er spricht ganz leise. Irgendwie sieht er mich als geheimen Mitwisser, den er nur anflüstern darf. Als er das Gespräch nach nur wenigen Minuten beendet, sind seine letzten Worte: „Herr Doktor, Strafe muss sein!“
Warum geißelt sich ein Mann nur so? Warum ist das eigene psychosomatische „Verstehen“ und „Annehmen“ so schwierig? Ich hatte damals von dem Fall in meiner Supervisionsgruppe berichtet und von einem Psychiater nur den klugen Satz erhalten: „Ach, der fällt schon am nächsten Tag wieder in die körperlichen Beschwerden zurück! Das ist ja ganz nett, dass Du ihn mal zur Sprache gebracht hast, aber das wird nicht viel bringen.“ Er sollte Recht behalten. Was mich so daran erstaunt, ist das ambivalente Denken und Handeln. Auf der einen Seite lässt er die Beschwerden und Schmerzen wieder und wieder bearbeiten und auf der anderen Seite akzeptiert er diese ganz rational als seine Strafe für den „Mord“ an dem anderen Mann. Irgendwann wird er wahrscheinlich austherapiert sein und hoffentlich in eine psychosomatische Klinik fahren. Dort könnte dann sein Weg der Verarbeitung beginnen.
Wie immer wünsche ich Ihnen eine gesundheitliche Woche.
…und er lahmt noch immer!

Hat dies auf Blog-bewegt! rebloggt und kommentierte:
… und hier ist die Fortsetzung zu der Geschichte mit dem ‚lahmenden Mann‘. Peter Kölln schreibt:
„Warum geißelt sich ein Mann nur so? Warum ist das eigene psychosomatische “Verstehen” und “Annehmen” so schwierig? Ich hatte damals von dem Fall in meiner Supervisionsgruppe berichtet und von einem Psychiater nur den klugen Satz erhalten: “Ach, der fällt schon am nächsten Tag wieder in die körperlichen Beschwerden zurück! Das ist ja ganz nett, dass Du ihn mal zur Sprache gebracht hast, aber das wird nicht viel bringen.” Er sollte Recht behalten. Was mich so daran erstaunt, ist das ambivalente Denken und Handeln. Auf der einen Seite lässt er die Beschwerden und Schmerzen wieder und wieder bearbeiten und auf der anderen Seite akzeptiert er diese ganz rational als seine Strafe…“ Des Öfteren stelle ich mir diese Frage, wenn ich mit einem Mann Vergleichbares erlebe; mit dem Unterschied, dass er schon auf dem Weg zu sich und den Ursachen für seine Problematik, denn er hat den Weg in die Beratung gefunden.