Vor einem Jahr habe ich Sabine Puhl, Sportwissenschaftlerin aus Düsseldorf bei einer Fortbildung kennengelernt. Wir sind in Kontakt geblieben und ich habe Sie gebeten, mir mal einigen Fragen zum Thema „Der bewegte Mann“ zu beantworten. Zum einen geht es um die Männer, die etwas frischen Wind brauchen und zum anderen um die, die etwas Druck rausnehmen sollten. Hier sind ihre schriftlichen Antworten dazu. Viel Spass beim Lesen.
Wie aktiv sind deutsche Männer?
Nach dem DKV-Bericht „Wie gesund lebt Deutschland“ von 2009 erreichen zwei Drittel der deutschen Männer die Mindestempfehlung von 30 Minuten moderater Bewegung an mindestens fünf Tagen pro Woche. Ein Drittel der deutschen Männer schafft dieses Mindestmaß an körperlicher Aktivität nicht und ist als inaktiv einzustufen. Die deutsche Nicht-Beweger-Studie aus dem Jahre 2008 zeigte sogar, dass ein Fünftel der Männer im Alter zwischen 30 und 65 Jahren nicht einmal Alltagsaktivitäten durchführen.
Was bringt Männer in Bewegung?
Die Beweggründe, warum eine Person körperlich aktiv ist, sind sehr unterschiedlich. Einfluss nehmen vor allem Geschlecht, Alter und sozialer Status. Befragungen haben ergeben, dass Männer auch im Sport eher den direkten Vergleich suchen und weitaus erfolgsorientierter sind als Frauen. Sie trainieren eher nach Trainingsplänen. Bei jüngeren und Männern stehen daher Fitnessprogramme oben auf der Liste. Auch Mannschaftssportarten sind sehr beliebt. Das Interesse an Fußball, Handball und Basketball belegen dies. Mit zunehmenden Alter sind es dann Freizeitaktivitäten wie Joggen, Walking, Wandern, Schwimmen oder Fahrradfahren. In allen Altersgruppen besteht dagegen wenig Interesse an Alltagsaktivitäten. Deshalb sind die o.g. Ergebnisse der Deutschen-Nicht-Beweger-Studie nicht verwunderlich!
Und warum bewegt MANN sich nicht?
Bei jüngeren Männern, die am Anfang ihres Berufslebens stehen und / oder gerade eine Familie gegründet haben, ist das Hauptargument die fehlende Zeit. Mit zunehmendem Alter sind es häufiger fehlende Freunde und Mitstreiter. Außerdem geben viele männliche Befragte an, dass es keine passenden Angebote in der Umgebung gibt. Nicht wenige haben zudem Angst vor Verletzungen und Unfällen.
Wie sieht das im Coaching aus?
Spezialisiert habe ich mich im Rahmen meiner Arbeit auf das Coaching mittlerer und oberer Führungskräfte hinein bis in die Vorstandsetagen.Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass Männer aus den oberen Etagen häufig ihre Einstellungen aus dem Job auf das Training übertragen. Auch hier sollen möglichst schnell klare Ziele im Sinne einer körperlichen „Optimierung“ erreicht werden. So sollen zügig die Laufstrecke ausgebaut, das Tempo erhöht oder das Krafttraining intensiviert werden. Höher, schneller, weiter! Am besten binnen weniger Wochen will MANN ganz locker 10-20 km Laufen können. Der erhöhte Blutdruck, das Sausen im Ohr oder der Kugelbauch gehen dann ja ruckizucki von allein. Alles nur eine Frage der Disziplin. Und zur Überwindung eben dieser werde ich ja als Coach eingekauft.
Falsch verbunden? Richtig! Denn meinem Verständnis von einem langfristig erfolgreichem Training entspricht dieses „quick and dirty“ nicht. Vielmehr geht es darum, Trainingspläne flexibel handzuhaben und je nach aktuellem körperlichen und geistigen Befinden das Beste anzubieten, um die persönlichen Ziele zu verfolgen.
Der Gedanke, dass Bewegung und Sport als persönliche Auszeit wahrgenommen werden könnten, geht vielen Kunden zu Beginn des Coachings völlig ab. Erst mit der Zeit und durch beharrliches Bremsen sickert ins Bewusstsein: Training bedeutet nicht nur reines Absolvieren eines vorgefertigten Trainingsplanes, sondern darf auch Spaß, Ausgleich und Entspannung sein. Und ist dann trotzdem noch effektiv? Meint MANN gar nicht.
Mir macht es wahre Freude zu beobachten, wie Top-Manager-Typen im Laufe der Zeit zumindest beim Training zwei bis drei Gänge runterfahren können. Auch diese Männer das Programm der totalen Optimierung verlassen und sich auf diese Auszeit einlassen. Sich auf das Training freuen, schlapp sein dürfen, sich beim Laufen sogar Gehpausen selbst einfordern. Manchmal auch einfach gar keine Lust haben dürfen und wir stattdessen ein Autogenes Training einbauen. So kann MANN bei der nächsten Trainingseinheit doppelt auf das Gaspedal treten.
Hat es Klick gemacht und das Training „darf“ auf die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden, passieren wundersame Dinge. Zum einen verschwindet das völlig überflüssige Gefühl des schlechten Gewissens wegen der vermeintlich verpassten Trainingseinheit und MANN entscheidet, was ihm gerade gut tut. Powern, Piano oder Pausieren.
Und wenn dann der anfangs hohe Blutdruck sinkt und ich tatsächlich beweisen kann, dass ein persönlich angepasstes, variables Training die besten Erfolge bringt und vor allem beibehalten wird, ist alles gut. Finde ich zumindest.
Meine Tipps zum Dranbleiben:
1. Nur wer wirklich Spaß hat, also einen emotionalen Nutzen hat, bleibt am Ball.
2. Den Sporttermin zum heiligen Termin machen – ähnlich der Sportschau.
3. Sich zum Sport verabreden. Das verpflichtet.
4. Flexibel trainieren! Je nach Befinden: Powern, Piano oder Pausieren.
Ich danke Sabine Puhl für das Interview.
Dr. Sabine Puhl ist freiberufliche Sportwissenschaftlerin aus Düsseldorf. Zusätzlich ist sie noch Lehrbeauftragte der Hochschule Niederrhein, Referentin, Autorin und Personal Coach. Besuchen Sie doch einmal Ihre Seite http://www.puhl-bewegt.de.
Mein Mann hatte seinen Freunden erzählt dass er ein Jahr später am Hamburg Marathon teilnehmen würde. Da es nun alle wussten, musste er auch dafür trainieren. Sonst wäre es blamabel geworden. Der Schmerz, der durch Nichterfüllung dieses Zieles entstehen würde, war ein hoher Motivationsfaktor. Von 17.000 Ankommenden war er etwa auf Platz 14.000. Dabei hatte Dieter Baumann (Langsteckenläufer 5.000m 1992 mit Goldmedaille) den Lauf aufgegeben. Das Glücksgefühl nach dem Lauf hat viele Tage angehalten.