Arzt: „Wie geht´s?“ – Patient: „Muss ja!“ – Arzt: „Ja?“

up your nose
Wenn ein männlicher Patient zum männlichen Arzt (im folgenden nur Patient und Arzt genannt) geht, hat er meist ein Anliegen. Ist ja auch logisch, was sollte er auch sonst da, weil Vorsorglichkeit meist kein Grund ist. Zum nun gezeigten Beschwerdebild hört man sich als Arzt alles an, untersucht ggf. und stellt eine erste Arbeitsdiagnose. Es folgt die Therapieempfehlung und dann wäre man eigentlich auch schon nach 3-7 Minuten fertig. Das ist für den Patienten gut so und auch gut so für den Arzt. Beide haben die eigenen Grenzen abgesteckt, der Arzt will dem Patienten natürlich auch nicht zu Nahe treten und ist dessen Reparaturauftrag nach dem „Dawos“-Prinzip zielstrebig gefolgt. Das „Dawos“-Prinzip ist ein immer noch gängiges Verfahren im ärztlichen Handeln. „Da-wo´s-weh-tut“ wird geschaut und auch behandelt. Aber nicht selten liegt das Problem woanders. Das wissen im tiefsten Inneren der Patient und auch der Arzt, wollen aber nicht darangehen. Es gibt halt dabei keinerlei anderen Auftrag an den Arzt, wie z.B. „Sprechen Sie mich doch mal auf meine seelische Konstitution an.“ oder „Fragen Sie doch endlich mal, wie es Mir geht?“ Das hat sich lange eingebürgert und funktioniert auch heute noch sehr gut. Eigentlich lebt davon eine ganze „Medizinindustrie“, Pharmafirmen, Operationssäle usw. Und das ist auch nicht rein männerspezifisch, das gilt „über“geschlechtlich. Wenn es aber um die Männergesundheit geht, geht es auch viel um Bilder die wir männlichen Therapeuten selbst im Kopf haben. Wie darf ein Mann aussehen und handeln? Darf er angeschlagen sein? Und darf er damit gleich rausplatzen? Oder könnte es sein, dass er dies vielleicht nicht so gut kann und lieber etwas anderes präsentiert – eine entfernter liegende Beschwerde? Mir geht es ja hier um die Männer und wie wir wertschätzend und sinnig an sie herankommen, ohne sie dabei zu „vergewohltätigen“. Wenn man nun nämlich doch trotz fehlendem Auftrages des Patienten sich traut und mal tiefer schaut, dann erlebt man(n) nicht selten Überraschungen. Es ist nicht immer einfach und nicht selten muss man alles aus der Nase ziehen. Ich mach mir immer dann die Mühe bei Patienten (und dies bedeutet immer mehr Zeit einzuplanen, was natürlich nicht immer geht), wenn Beschwerden keine volle Erkrankung darstellen, diese schon länger gehen, Worte wie „immer“ oder „alles tut weh“ vorkommen und im Gesamterscheinungbild etwas nicht ganz stimmt. Kurz ein Beispiel fürs Verstehen. Es kommt ein Mann mit diffusen Nackenbeschwerden ins Sprechzimmer und antwortet auf die Frage nach der Dauer der Beschwerden: „Oh… das hab´ ich andauernd.“ Wenn man evtl. auslösende körperliche Gründe abgefragt hat, folgt die Untersuchung und dann evtl. die Behandlung. Sei es das man etwas in die Haut spritzt, mit Wärme bestrahlt, den Rezeptblock zückt oder denjenigen einrenkt, wenn es da etwas zum Einrenken geben sollte. „Zack die Bohne“ fertig! Ah… halt, noch einmal zurück! Jetzt könnte man noch einmal kurz zum ersten Satz des Mannes zurückkehren und fragen „andauernd“? Was heißt das? Seit wann? Da würden nicht wenige Männer antworten. „Ah… weiß ich nicht.“ Dann würde man nachhaken und noch einmal fragen. Dann käme vielleicht „Hmmm… och eigentlich seit 3 Wochen wieder.“ Dann könnte man wieder nachhaken (wenn man dann noch Zeit und Interesse hat) und fragen. „Was war denn vor 3 Wochen?“ Dann würde wieder das selbe Spiel des Nachhakens folgen undsoweiterundsoweiter. Manchmal fühlt man sich da wie ein Kommissar, der auf der Suche nach der Wahrheit ist. Wie gesagt, der Mann hat einem nicht den Auftrag dazu erteilt. Würde er auch nie machen. Warum auch? Also Nasen-Ziehen und Nachhaken erledigt – es folgt der Hammer: „Ach ja, da ist mein Vater gestorben.“ Bitte jetzt nicht schmunzeln. Das kann auch schon mal nach 5-10 Minuten Nachdenkzeit erst kommen. Da hat der Mann dann nicht mehr parat, was vor 3 Wochen passiert ist. Ich hab auch schon gehört „Da ist meine Frau gestorben“ oder „Mein Sohn hat die Diagnose Schizophrenie erhalten“ oder oder. Es können natürlich auch kleinere belastende Lebensereignisse sein, wie Probleme am Arbeitsplatz oder das die Tochter in der Schule Schwierigkeiten hat. Ein Thema hat doch fast jeder und wir Männer sind da nicht so unsensibel wie immer gesagt wird. Und nicht alle haben da Nacken. Beschwerden wie Kopfschmerzen, Oberbauchschmerzen, Sodbrennen, Ischias, Tennisarm, Achillessehne (bei den Frauen heißt das Fersensporn) und und und… Ich glaube, dass nicht wenige Männer sehr psychosomatisch reagieren. Das heißt der Körper tritt voran und zeigt Beschwerden, obwohl eigentlich die Seele leidet. Ich frage deswegen immer bei einer Konsultation „Wie geht es Ihnen?“ Mir hat auch schon einmal ein ärztlicher Kollege mit Praxis insgeheim gesagt. „Diese Frage stelle ich nie, das wäre wirtschaftsschädigend. Wenn ich das ernsthaft fragen würde, dann würden sich ja die Patienten öffnen und ich käme nicht mehr durch meinen Tag.“ Aber das hier nur am Rande ohne aussagekräftige statistische Auswertung. Also auf diese ganz einfache Frage erhält man nicht selten die Aussage „Muss ja!“ oder abgeschwächter „Eigentlich ganz gut“. Dies möchte ich heute einmal aufnehmen und diskutieren. Diese leichte Form der männlichen Abwehr kann man sich bewusst machen und mit einem ganz einfachen „Ja?“ oder „Eigentlich?“ einhaken. Dann ist man nicht selten sofort im Gespräch und erlebt Wunder. Ich habe durch diese einfachen „Bewusstmachungen“ schon Männer erlebt, die sofort angefangen haben zu weinen oder sich trauten, einmal offen zu sprechen. Ich glaube es hat viel damit zu tun, wie wir uns selbst als Männer sehen und nicht angreifbar sein wollen. Aber wir auch immer wieder stille Signale senden, damit uns endlich mal jemand darauf anspricht. Von selbst ohne suffiziente Ansprache wird das lange dauern. Oder warum nehmen sich immer noch jeden Tag ca. 2 Fussballmannschaften an Männern das Leben? Im Vergleich dazu machen das „nur“ sechs Frauen. Das hat natürlich auch noch andere Gründe, das ist hierfür aber nicht entscheidend. Ich glaube bei diesen aber auch all den anderen Männern da draußen, hakt nur selten jemand nach.

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